Möbel zum Vererben
Anlässlich der Enthüllung von FAVORIT im Juni 2014
Ein barock anmutendes Sesselchen steht in der Ecke meines Zimmers. »Das bekommst Du einmal«, sagte meine Großmutter hin und wieder und diese Aussicht schien wichtig für sie zu sein. Sobald jedoch meine Großmutter vom Erben sprach, tat ich das als unbedeutend ab: »Ach, Oma…«. Doch mit dem Tod meiner Großmutter bekamen die Hinterlassenschaften meiner Ahnen eine Bedeutung für mich. Und genau dieses Gefühl muss meine Oma auch gehabt haben, denn sie hatte das Sesselchen von ihrer Großmutter bekommen, die im Jahr 1858 geboren worden war.
Wenn ich manchmal mit Muße auf meine geerbten Möbelstücke blicke, versetze ich mich geschichtlich in die Zeit ihrer Entstehung und in das Leben meiner Ahnen: Die Stücke aus Fichtenholz, weiß lackiert, stehen für eine einfache Lebensweise. Dagegen kommen die Eichenholzmöbel von Vorfahren, die einen gehobenen Lebensstil hatten. Doch unabhängig von ihrer Machart, habe ich alle Möbel von meinen Großeltern geerbt, mit denen ich in Liebe verbunden war, und so versprühen diese Möbelstücke, verbunden mit liebevollen Erinnerungen, einen Hauch von Glück in meinen vier Wänden. Auch fühle ich mich über diese Gegenstände mit meinen Wurzeln verbunden.
Im Internet entdecke ich einen Tisch um ein paar hundert Euro. Viele Fragen schießen mir durch den Kopf: »Wo stand der Baum, der das Holz dafür gegeben hat? Wer hat ihn gefällt? Haben Menschen, Maschinen oder andere Lebewesen ihn an den Ort seiner Verarbeitung gebracht? Wer hat diesen Tisch hergestellt und unter welchen Bedingungen? Mit welchen chemischen Stoffen wurde das Holz behandelt und wie wurden die Menschen, die ihn hergestellt haben, dafür entlohnt? Mit welchen Transportmitteln kam er nach Europa?«.
Der metallfreie Tisch FAVORIT lässt sich im Steckverfahren zusammen- und auseinanderbauen. Ergänzend zu der Vorgabe, einen Tisch aus Massivholz zu gestalten, sollte FAVORIT sich durch eine Eigenständigkeit in Machart und Gestalt von bereits etablierten Tischen abheben und dem Nutzer ein Höchstmaß an Funktionalität und Ästhetik bieten.
Eine der Forderungen des Psychologen Fritz Riemann an den Menschen besteht in der Notwendigkeit, uns in unserem Denken und Handeln zu wandeln, zu verändern, auf der anderen Seite aber auch die Dauer anzustreben »als ob wir unbegrenzt lebten«.
Lasst uns also einerseits aus dem bewährten Erfahrungsschatz unserer Ahnen schöpfen, aber auch, wo es Sinn macht, die Technik und Materialien der Neuzeit nutzen und uns wertige, die Kurzlebigkeit unseres 21. Jahrhunderts überdauernden Möbel herstellen, so wie es der Leidenschaft unseres Schreiners Wilfried entspricht: »Möbel zum Vererben«.
Kathrin
mikamoco GERMANY, Juni 2014